Fachanwalt fuer Arbeitsrecht

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Zehn schwerwiegende Fehlerquellen beim Ausspruch von Kündigungen durch den Arbeitgeber – Arbeitsrechtliche Risikohinweise aus der fachanwaltlichen Beratungspraxis und gangbare Strategien zur Vermeidung

Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Durch sie wird das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis beendet. Die Kündigung beendet den Arbeitsvertrag grundsätzlich unter Einhaltung der maßgeblichen arbeits- oder tarifvertraglichen Kündigungsfrist für die Zukunft (vgl. Hülsemann/Osso, ArbRAktuell 2020, 336). Was für den Arbeitgeber einfach, verständlich und leicht umsetzbar klingt, erweist sich in der täglichen arbeitsrechtlichen Praxis als vielgestaltiges Minenfeld, das so manchen Arbeitgeber und HR-ler verzweifeln und scheitern lässt. Nachfolgend finden sich aus diesem Grund zehn Fehlerquellen nebst „Handlungsempfehlungen“ des Fachanwalts für Arbeitsrecht, die alle darauf abzielen, die Nerven und den Geldbeutel des interessierten Arbeitgebers im praktischen Kündigungsszenario zu schonen.

1. Schriftform – Die Schriftform nach §§ 623, 126 I BGB wird bei Ausspruch der Kündigung nicht gewahrt.
Die Kündigung bedarf seit dem 1.5.2000 der Schriftform nach §§ 623126 I BGB. Dies soll Rechtssicherheit für die Vertragsparteien und eine Beweiserleichterung im Kündigungsrechtsstreit bewirken. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen nicht mehr über die Frage streiten, ob überhaupt eine Kündigung vorliegt. Die nach § 126 I BGB geforderte Schriftform wird dadurch erfüllt, dass die Urkunde (= Kündigungserklärung) von dem Aussteller (= Arbeitgeber) eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet wird. Eine per Telefax übermittelte schriftliche Kündigungserklärung genügt § 126 I BGB nicht, da die vom Empfangsgerät hergestellte Telekopie lediglich die Ablichtung der Originalunterschrift wiedergibt (vgl. BAG 23.2.2017 – 6 AZR 665/15, NZA 2017, 995; zu den Funktionen der Schriftform BAG 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, NZA 2016, 361).
In der Praxis der Arbeitgeber scheint diese seit nunmehr 21 Jahren geltende gesetzliche Vorgabe und zwingend zu wahrende Form immer noch nicht durchgehend bekannt zu sein. Es bleibt zu beobachten, dass „Kündigungserklärungen“ von Arbeitgebern dem Arbeitnehmer vorschnell und unzureichend per Fax, E-Mail, über einen Messenger-Dienst wie WhatsApp oder mündlich übermittelt werden. Alle diese Übermittlungsirrwege erfüllen nicht die Schriftform, wie sie § 126 I BGB fordert. Entsprechend sind diese untauglichen Kündigungsversuche und „Experimente“ des Arbeitgebers ausnahmslos unwirksam (vgl. Ascheid/Preis/Schmidt/Greiner, Kündigungsrecht, § 623 BGB, Rn. 36). Hinzu kommt, dass der kündigende Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der Schriftform trägt (BAG 23.2.2017 – 6 AZR 665/15, NZA 2017, 995).

Lösung:
Die Schriftform der Kündigung wahrt der Arbeitgeber, indem er als Kündigungsberechtigter die sorgfältig abgefasste, mit ausreichendem Inhalt versehene Kündigungserklärung im Original mit blauem Stift unterschreibt und ihren fristgerechten Zugang beim Arbeitnehmer sicherstellt und gerichtsverwertbar dokumentiert (vgl. nachfolgend 3. zum Zugang der Kündigung).

2. Kündigungsbefugnis, §§ 174, 180 BGB – Es kündigt der Falsche oder die Berechtigung/Bevollmächtigung zur Kündigung ist gegenüber dem Arbeitnehmer nicht nachgewiesen.
Im Kündigungsrecht gilt der Grundsatz, dass „nur der Arbeitgeber“ also „nur der Richtige“ wirksam kündigen kann. Diese wenig überraschende Erkenntnis sorgt auf Arbeitgeberseite gleichwohl oft für entscheidungserhebliche Probleme. Die Rechtsform des Arbeitgebers (Personengesellschaft, AG, GmbH, Behörde/öffentliche Verwaltung, u.a.) und die internen Vorgaben (Satzung, u.a.) wollen diesbezüglich ebenso wie die Vertretungsberechtigung bei Ausspruch der Kündigung belastbar geprüft sein, um ein tragfähiges rechtliches Ergebnis zu erzielen (vgl. Spelge, RdA 2016, 309). Bei einer Kündigung als einseitigem Rechtsgeschäft ist nach § 180 1 BGB eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig (BAG 10.4.2014 – 2 AZR 684/13, NZA 2014, 1197; BAG 16.12.2010 – 2 AZR 485/08, NZA 2011, 571). Hat derjenige, dem gegenüber ein solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beanstandet, finden gemäß § 180 2 BGB die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung. Das bedeutet u.a., dass das Rechtsgeschäft nach § 177 I BGB genehmigt werden kann (BAG 10.4.2014 – 2 AZR 684/13, NZA 2014, 1197). Im Fall des (formwirksamen) Ausspruchs einer Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht beginnt die Klagefrist des § 4 KSchG erst mit dem Zugang der Genehmigung des Arbeitgebers beim Arbeitnehmer zu laufen (BAG 6.9.2012 – 2 AZR 858/11, NZA 2013, 524). In der Praxis stellt sich oft das Erfordernis einer Gesamtvertretung bei Erklärung und Abgabe einer Kündigung (Stichwort: „zwei lesbare oder identifizierbare Unterschriften“). Die Sicherstellung einer korrekten Vertretung ist eine unverzichtbare Grundvoraussetzung, um möglichen Angriffen und Rügen des Arbeitnehmers diesbezüglich im Ansatz die Grundlage zu nehmen. Im Kündigungsschutzprozess spielen die §§ 174 und 180 BGB zusammen, wobei nicht immer sauber zwischen den beiden Vorschriften und ihrem rechtlichen Anwendungsbereich abgegrenzt wird (vgl. BAG 18.12.1980 – 2 AZR 980/78, NJW 1981, 2374). Konzern-Zeichnungsrichtlinien und im Intranet hinterlegte Kündigungsberechtigungen bieten dem Arbeitnehmer ebenso wie unzutreffend bzw. bedeutungsfalsch verwandte Zusätze („i.A.“ statt „i.V.“) formelle Angriffsmöglichkeiten gegen die von einem Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung. Ein „beliebter“ Streitpunkt in diesem Kontext ist, ob der Erklärungsempfänger (Arbeitnehmer) davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass der Erklärende (kündigender Vertreter des Arbeitgebers) die zur Kündigung berechtigende Stellung tatsächlich innehatte. Nach § 174 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Folge der Zurückweisung i.S. des § 174 1 BGB ist – unabhängig vom Bestehen einer Vollmacht – die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Eine Heilung oder Genehmigung nach § 177 BGB scheidet aus (BAG 19.4.2007 – 2 AZR 180/06, AP Nr. 20 zu § 174 BGB; BAG 20.9.2006 – 6 AZR 82/06, NZA 2007, 377; Holthausen, ZAP 2019, 859).

Lösung:
Man verschafft sich auf Seiten des Arbeitgebers rechtzeitig Klarheit über die Berechtigung zur Kündigung und dokumentiert die Berechtigung durch entsprechende Unterzeichnung des Kündigungsschreibens und korrekten Nachweis der Berechtigung (durch Vorlage von Originalvollmachten) gegenüber dem Kündigungsempfänger. Die vorausschauende Planung der Abläufe und entsprechende Vorbereitung im Bereich HR schafft rechtliche Sicherheit auch dann, wenn Handlungsdruck besteht und „Eile geboten“ ist.

3. Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung – Regelmäßig streiten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, insbesondere im Rahmen von Kündigungsschutzklagen, über die Frage, ob und wenn ja zu welchem Zeitpunkt im Raum stehende Kündigungen dem Erklärungsempfänger zugegangen sind.
Da es sich bei der Kündigung des Arbeitgebers um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, stellt ihr Zugang beim Arbeitnehmer eine unabdingbare Wirksamkeitsvoraussetzung dar. Daneben können das Ob und der Zeitpunkt des Kündigungszugangs aber noch zahlreiche weitere bedeutende Rechtsfolgen nach sich ziehen. So kann es maßgeblich vom Zugangszeitpunkt abhängig sein, ob die einschlägige Kündigungsfrist gewahrt ist, ob im Falle einer außerordentlichen Kündigung die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 II BGB eingehalten wurde oder nach Ablauf dieser Frist – im Falle der vorherigen Beteiligung des Integrationsamtes – der Kündigungsausspruch „unverzüglich“ i. S.  des § 174 V SGB IX erfolgt ist (BAG 27.2.2020 – 2 AZR 390/19, NZA 2020, 717), ob zum Kündigungszeitpunkt allgemeiner Kündigungsschutz i. S.  des § 1 KSchG bzw. Sonderkündigungsschutz (z.B. nach § 18 BEEG oder § 17 MuSchG) bestand oder ob der gekündigte Arbeitnehmer bei der Erhebung seiner Kündigungsschutzklage die dreiwöchige Klagefrist des § 4 1 KSchG gewahrt hat (Klinkhammer/Schmidbauer, ArbRAktuell 2018, 362). Mit anderen Worten entscheidet der Zugang der Kündigung oft darüber, welche Partei in einem Kündigungsschutzprozess gewinnt oder verliert.
Bei der rechtlichen Beurteilung des Zugangs der Kündigung ist nach den Regelungen des BGB-AT zwischen dem Zugang unter Anwesenden und dem Zugang unter Abwesenden zu differenzieren. Eine verkörperte Willenserklärung geht unter Anwesenden zu und wird damit entsprechend § 130 I 1 BGB wirksam, wenn sie durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt. Es kommt nicht darauf an, ob der Empfänger die Verfügungsgewalt über das Schriftstück dauerhaft erlangt. Vielmehr genügen die Aushändigung und Übergabe, so dass für ihn die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Der Zugang einer verkörperten Willenserklärung unter Anwesenden ist auch dann bewirkt, wenn das Schriftstück dem Empfänger mit der für ihn erkennbaren Absicht, es ihm zu übergeben, angereicht und, falls er die Entgegennahme ablehnt, so in seiner unmittelbaren Nähe abgelegt wird, dass er es ohne Weiteres an sich nehmen und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann (BAG 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183). Nach § 130 I 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Unter Abwesenden zugegangen ist eine Kündigungserklärung in dem Zeitpunkt, in dem sie dergestalt in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass es nur noch an ihm liegt, von ihr Kenntnis zu nehmen und mit ihrer Kenntnisnahme nach den gewöhnlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs gerechnet werden kann. Der Erklärende hat alles Erforderliche zu unternehmen, um die verkörperte Erklärung in den Machtbereich des Empfängers zu verbringen. Bis dahin trägt er das Risiko der (unterbleibenden, verspäteten und/oder fehlerhaften) Übermittlung. Unter Machtbereich wird allgemein der gewöhnliche räumlich-gegenständliche Zugriffs- oder Lebensbereich des Empfängers verstanden, so dass vorauszusetzen ist, dass die Kündigungserklärung in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist (Klinkhammer/Schmidbauer, ArbRAktuell 2018, 362 m.w.N.).

Lösung:
Der dem gerichtsverwertbaren Beweis zugängliche Zugang der Kündigungserklärung bedarf sorgfältiger einzelfallbezogener Planung, Umsetzung und Dokumentation auf Seiten des Arbeitgebers. Insbesondere die Risiken und die (begrenzte) Beweiseignung postalischer Zustellungsformen wollen ausreichend bedacht sein, um rechtliche Risiken zu beherrschen und Störfälle bestmöglich auszuschließen.

4. Soziale Auswahl, § 1 III KSchG – Der Arbeitgeber trifft mit Blick auf den auswahlrelevanten Personenkreis bei der betriebsbedingten Kündigung eine fehlerhafte Auswahlentscheidung und kündigt einen sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmer.
Die Sozialauswahl nach § 1 III KSchG dient der personellen Konkretisierung der eine Kündigung bedingenden dringenden betrieblichen Erfordernisse i.S. von § 1 II KSchG in Fällen, in denen die Zahl der vom Rückgang des Beschäftigungsbedarfs betroffenen Arbeitnehmer die der verbliebenen Arbeitsplätze übersteigt. Nach § 1 III 1 KSchG soll dann grundsätzlich dem Arbeitnehmer gekündigt werden, der auf das Arbeitsverhältnis am wenigsten angewiesen ist. Seit Inkrafttreten der Neuregelung des § 1 III KSchG durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 bestimmt sich dies allein anhand der zwingenden Kriterien Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Lebensalter und Schwerbehinderung. Sie bilden jeweils typisierend die Merkmale einer besonderen Schutzbedürftigkeit aus (BAG 27.4.2017 – 2 AZR 67/16, NZA 2017, 902).
Die soziale Auswahl nach § 1 III KSchG birgt trotz des Ermessensspielraums des Arbeitgebers und rechtlicher Möglichkeiten der Absicherung (Auswahlrichtlinie nach § 1 IV KSchG oder Namensliste nach § 1 V KSchG) eine schier unendliche Vielzahl potenzieller Fehlerquellen. Das gilt auch nach Aufgabe der sog. „Domino-Theorie“ durch den Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG 9.11.2006 – 2 AZR 812/05, NZA 2007, 549). Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl ergibt, liegt grundsätzlich beim Arbeitnehmer. Auch sie ist abgestuft. Es ist zunächst Sache des Arbeitnehmers, die (grobe) Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen, sofern er über die hierfür erforderlichen Informationen verfügt. Soweit er hierzu nicht in der Lage ist und deswegen den Arbeitgeber zur Mitteilung der Gründe auffordert (§ 1 III 1 HS 2 KSchG), die ihn zu der Auswahl veranlasst haben, hat dieser als Folge seiner materiellen Auskunftspflicht gemäß § 1 III 1 HS 2 KSchG auch im Prozess substanziiert vorzutragen. Seine sich aus der Mitteilungspflicht ergebende Vortragslast ist grundsätzlich auf die subjektiven, von ihm tatsächlich angestellten Auswahlüberlegungen beschränkt. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf die vollständige Auflistung der Sozialdaten aller objektiv vergleichbaren Arbeitnehmer (BAG 27.9.2012 – 2 AZR 516/11, NZA 2013, 559).

Lösung:
Hat der Arbeitgeber eine nach § 1 III KSchG gebotene Sozialauswahl unterlassen, ist die Kündigung des klagenden Arbeitnehmers zumindest dann nicht sozial ungerechtfertigt, wenn mit ihr – zufällig – eine im Ergebnis vertretbare Auswahlentscheidung getroffen wurde. Entsprechendes gilt, wenn eine Sozialauswahl zwar getroffen wurde, dem Auswahlverfahren aber methodische Fehler anhaften. Der Arbeitgeber hat in solchen Fällen im Prozess die Möglichkeit aufzuzeigen, dass und aus welchen Gründen soziale Gesichtspunkte gegenüber dem klagenden Arbeitnehmer deshalb ausreichend berücksichtigt wurden, weil ihm selbst dann, wenn ein seitens des Arbeitnehmers gerügter Auswahlfehler unterblieben wäre, gekündigt worden wäre. Diese Erwägungen treffen sinngemäß auch auf die Auswahl der weiter zu beschäftigenden Arbeitnehmer analog § 1 III KSchG zu (hierzu BAG 27.7.2017 – 2 AZR 476/16, NZA 2018, 234; Hertzfeld/Steffens, NZA 2020, 1063).

5. Sonderkündigungsschutz – Wie geht der Arbeitgeber mit einem Sonderkündigungsschutz des Arbeitnehmers um?
„Stark gesteigerte Freude“ kommt auf Seiten des trennungswilligen Arbeitgebers auf, wenn er die Kündigung eines Arbeitnehmers andenkt, der (ggf. mehrfachen, sich überlagernden) Sonderkündigungsschutz genießt. Insbesondere der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Personen nach §§ 168 ff. SGB IX ist für Arbeitgeber in der Praxis alles andere als leicht handhabbar und erweist sich oft als Stolperstein „erster Güte“. Denkbar ist im worst case, dass die verweigerte Zustimmung des Integrationsamts erst nach mehreren Jahren durch das BVerwG ersetzt wird. Erst dann kann die Kündigung durch den Arbeitgeber wirksam ausgesprochen werden. Daran kann sich sodann ein mehrjähriges Kündigungsschutzverfahren vor den Arbeitsgerichten mit der Möglichkeit anschließen, dass das BAG aus rein arbeitsrechtlichen Gründen die Kündigung wiederum nach mehreren Jahren für unwirksam erklärt. Keinem Arbeitgeber kann die Notwendigkeit und die Sinnhaftigkeit eines solchen Bürokratiemonsters überzeugend erklärt werden (Bauer, NZA-Beilage 2019, 21) und mit Blick auf zwischenzeitlich aufgelaufene Annahmeverzugsansprüche ist eine Lösung von Arbeitnehmer, soweit sie sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch vermitteln lässt, sehr teuer.

Lösung:
Gesteigerter Bestandsschutz des Arbeitnehmers in Form eines Sonderkündigungsschutzes bedarf immer einer einzelfallbezogenen, strategischen Herangehensweise des Arbeitgebers und seiner Berater, die alle zur Verfügung stehenden Instrumentarien und Möglichkeiten nutzt. Vom vorschnellen Ausspruch einer Kündigung, um Fakten zu schaffen, ist dringend abzuraten. An dieser Stelle ist in besonderem Maße Verhandlungsgeschick gefragt, um zeitnah zu einer für beide Seiten tragbaren und rechtssicheren Lösung zu gelangen. Auch wenn einseitige Kündigungen ggf. möglich sind, gilt der Grundsatz, dass Kündigungen bei zusätzlichem Sonderkündigungsschutz stets in besonderer Weise risikobehaftet sind und deshalb immer sehr sorgfältig zu planen und in derselben Weise durchzuführen sind.

6. Massenentlassung – Buch mit sieben Siegeln oder Labyrinth ohne Ausweg?
Die Massenentlassungsanzeige ist bei der für den Betriebssitz örtlich zuständigen Agentur für Arbeit zu erstatten. Geht die Anzeige dort vor Zugang der Kündigung nicht ein, ist die Massenentlassungsanzeige fehlerhaft und die auf sie bezogene Kündigung unwirksam. Das Gleiche gilt, sofern die Anzeige infolge der Verkennung des Betriebsbegriffs objektiv unrichtige „Muss-Angaben“ enthält (BAG 13.2.2020 – 6 AZR 146/19, NZA 2020, 1006). Ist vor Ausspruch einer Kündigung ein nach § 17 II KSchG erforderliches Konsultationsverfahren nicht durchgeführt worden, ist die Kündigung deshalb ebenfalls wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot i.S. von § 134 BGB rechtsunwirksam.
Sowohl die Durchführung des Konsultationsverfahrens als eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die Kündigung als auch die Pflicht zur ordnungsgemäßen Anzeige der Massenentlassung (zur Bestimmung des Begriffs der „Entlassung“ nach § 17 KSchG Holler, NZA 2019, 291; zu den arbeitsrechtlichen Untiefen Spelge, NZA-Beilage 2017, 108) sind geeignet, bei Arbeitgebern „Angst und Schrecken“ zu verbreiten (vgl. Moll, RdA 2021, 49, 51; zu Massenentlassungen in Konzernsachverhalten Fuchs, NZA 2020, 1071). Als Fehlerquellen kommen etwa in Betracht: die fehlerhafte Einbeziehung eines unzuständigen Betriebsrats, die unvollständige oder fehlerhafte Unterrichtung im Konsultationsverfahren, die Anzeige gegenüber einer unzuständigen Agentur für Arbeit (BAG 13.2.2020 – 6 AZR 146/19, NZA 2020, 1006 „Air Berlin“) und das Übersehen anzeigepflichtiger Entlassungen.

Lösung:
Auch wenn die Rechtsprechung des BAG versucht, Unionsrecht und die §§ 17 ff. KSchG mehr schlecht als recht zu harmonisieren, muss nach wie vor festgestellt werden, dass Massenentlassungstatbestände sehr fehler- und störanfällig und dementsprechend stark risikobehaftet sind. Als Handlungsempfehlung kann deshalb nur empfohlen werden, so sorgfältig und strukturiert wie möglich zu arbeiten und sowohl das Konsultationsverfahren als auch die Massenentlassungsanzeige rechtzeitig und in jeder Hinsicht gründlich vorzubereiten (zu Fehlervermeidungsstrategien Ludwig/Hinze, NZA 2020, 694).

7. Betriebsratsanhörung, Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung – Wie hat die Unterrichtung und Beteiligung der Gremien ordnungsgemäß zu erfolgen?
Der Umfang und die Grenzen der den Arbeitgeber treffenden Unterrichtungspflicht nach § 102 BetrVG sind Streitgegenstand zahlreicher Entscheidungen der Arbeitsgerichte I., II. und III. Instanz (vgl. BAG 7.5.2020 – 2 AZR 678/19, AP Nr. 172 zu § 102 BetrVG 1972). Dies mag nicht zuletzt auch daran liegen, dass das erkennende Arbeitsgericht durch die Feststellung einer fehlerhaften oder unzureichenden Anhörung von weiteren prozessleitenden Maßnahmen und ggf. schwierigen, arbeitsintensiveren Aufgaben befreit wird. Angesichts dieser „Schadensgeneigtheit“ empfiehlt es sich stets, der Anhörung und Beteiligung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung die nötige Vorbereitung und Sorgfalt zu widmen. Dabei sollte sich der Arbeitgeber immer an der aktuellen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte orientieren, um im Sinne bester Regelkonformität (Compliance) zu agieren und die Kündigung auf diese Weise bestmöglich abzusichern. Die Zustimmung eines Betriebsrats zu einer Kündigung ist eine ungleich bessere Aussage als sein ausdrücklich und qualifiziert erklärter Widerspruch und sie lässt die Chancen des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess nachhaltig steigen.
Eine Kündigung ist i.S. von § 102 I 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen. Sie ist es auch dann, wenn er ihn nicht ordnungsgemäß beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 I 2 BetrVG nicht ausreichend nachgekommen ist. Für die Mitteilung der Kündigungsgründe gilt dabei der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt (BAG 17.3.2016 – 2 AZR 182/15, NZA 2016, 1072; BAG 16.7.2015 – 2 AZR 15/15, NZA 2016, 99; zur fehlerhaften Betriebsratsanhörung bei mehreren Kündigungsgründen Hertzfeld/Steffens, DB 2021, 2015). Die Unterrichtung gemäß § 102 I 2 BetrVG soll dem Betriebsrat Gelegenheit geben, die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe zu überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung zu bilden, um ggf. auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen (BAG 16.7.2015 – 2 AZR 15/15, NZA 2016, 99). Diesem Zweck widerspricht es, das Verfahren zu einem Zeitpunkt einzuleiten, in dem der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss noch nicht abschließend gefasst hat. Die Anhörung des Betriebsrats erfolgt dann vorzeitig, nämlich in einer Phase, in der die Kündigungsüberlegungen noch unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung stehen. Eine solche Anhörung „auf Vorrat“ ist unzulässig. Der Betriebsrat könnte sich lediglich gutachterlich zu einem fiktiven Sachverhalt äußern (BAG 22.4.2010 – 2 AZR 991/08, AP Nr. 163 zu § 102 BetrVG 1972).
Die Schwerbehindertenvertretung ist vor jeder Beendigungs- und Änderungskündigung zu beteiligen. Das gilt auch für Kündigungen in der Wartezeit des § 1 I KSchG. § 90 I Nr. 1 SGB IX a.F. (§ 173 I 1 Nr. 1 SGB IX n.F.) findet weder direkte noch analoge Anwendung. Die Unwirksamkeitsfolge des § 95 II 3 SGB IX a.F. (§ 178 II 3 SGB IX n.F.) greift nicht ein, wenn der Arbeitgeber „lediglich“ die Mitteilungspflicht nach § 95 II 1 HS 2 SGB IX a.F. (§ 178 II 1 HS 2 SGB IX n.F.) verletzt. Zur Abwendung der Unwirksamkeitsfolge genügt es nach § 95 II 1 HS 1 und 2 SGB IX a.F. (§ 178 II 1 HS 1 und 2 SGB IX n.F.), wenn der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß anhört. Die Anhörung muss nicht schon vor der Beteiligung des Betriebs- bzw. Personalrats oder vor dem Antrag auf Zustimmung an das Integrationsamt erfolgen. An einer ordnungsgemäßen Anhörung der Schwerbehindertenvertretung fehlt es, wenn diese schon nicht ausreichend unterrichtet worden ist. Die Unterrichtung muss die Schwerbehindertenvertretung in die Lage versetzen, auf die Willensbildung des Arbeitgebers einzuwirken. Es gelten die gleichen Grundsätze wie für die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 102 I BetrVG. Der notwendige Unterrichtungsinhalt ist nicht auf „schwerbehindertenspezifische Kündigungsbezüge“ reduziert. An einer ordnungsgemäßen Anhörung der Schwerbehindertenvertretung mangelt es auch, wenn diese zwar ausreichend unterrichtet worden ist, aber keine genügende Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Hinsichtlich der Stellungnahmefristen findet § 102 II BetrVG analoge Anwendung. Eine entsprechende Anwendung der Fristenregelungen in den gegebenenfalls einschlägigen Personalvertretungsgesetzen scheidet aus. § 95 II 3 SGB IX a.F. (§ 178 II 3 SGB IX n.F.) stellt einen sonstigen, zumindest auch den Arbeitnehmer schützenden Unwirksamkeitsgrund dar, der einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag nach § 9 I 2 KSchG „sperrt“ (BAG 13.12.2018 – 2 AZR 378/18, NZA 2019, 305).

Lösung:
Die ordnungsgemäße Anhörung und Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch einer Kündigung ist eine einzelfallbezogene „Fleißaufgabe“, die mit der nötigen Sachkenntnis und der erforderlichen Struktur unter Berücksichtigung der Vorgaben der Rechtsprechung mit der nötigen Umsicht durch den Arbeitgeber gemeistert werden kann.

8. Darlegungs- und Beweislast – Wie ist die Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess zwischen den Streitparteien verteilt?
Beruft sich der Arbeitnehmer auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung nach dem KSchG, muss er im Kündigungsschutzprozess zunächst darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des KSchG (= Überschreiten des Schwellenwertes) gegeben sind. Dazu muss er darlegen und beweisen, dass die nach § 23 I KSchG erforderliche Beschäftigtenzahl erreicht ist und kein Kleinbetrieb vorliegt (BAG 2.3.2017 – 2 AZR 427/16, NZA 2017, 859) . Der Arbeitgeber muss die Tatsachen beweisen, welche die Kündigung bedingen (§ 1 II 4 KSchG). Ihm obliegt die Beweislast für den die Kündigung tragenden Grund (BAG 31.7.2014 – 2 AZR 422/13, NZA 2015, 101). Hingegen trägt der Arbeitnehmer die Beweislast dafür, dass eine betriebsbedingte Kündigung wegen einer fehlerhaften Sozialauswahl nach § 1 III KSchG sozial ungerechtfertigt ist. Der Arbeitnehmer muss beweisen, dass bei der Auswahl der zu Kündigenden die vier zwingenden sozialen Gesichtspunkte (Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) nicht oder nicht ausreichend beachtet worden sind, wenn der Arbeitgeber der ihm hinsichtlich seiner Auswahlüberlegungen obliegenden Darlegungspflicht vollständig nachgekommen ist (BAG 27.9.2012 – 2 AZR 516/11, NZA 2013, 559).
Im Streit über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung hat das Arbeitsgericht voll nachzuprüfen, ob die vom Arbeitgeber behaupteten inner- oder außerbetrieblichen Gründe für die Kündigung tatsächlich vorliegen und ob sie sich im betrieblichen Bereich dahin auswirken, dass für die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers kein Bedürfnis mehr besteht (= dauerhafter ersatzloser Wegfall des Beschäftigungsbedarfs). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts trifft den Arbeitgeber die (gestufte) Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Kündigung wegen Wegfalls des bisherigen Arbeitsplatzes durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, ohne dass eine andere Beschäftigung möglich oder zumutbar wäre. Der Umfang der Darlegungslast ist jedoch davon abhängig, wie sich der Arbeitnehmer auf die Begründung der Kündigung vor Gericht einlässt. Bestreitet er nur den Wegfall des Arbeitsplatzes, so genügt der allgemeine Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeit sei eine Weiterbeschäftigung zu den gleichen Bedingungen nicht möglich. Es obliegt dann dem Arbeitnehmer darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Erst dann muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine Umsetzung nicht möglich gewesen wäre (BAG 31.7.2014 – 2 AZR 422/13, NZA 2015, 101).

Lösung:
Die Darlegungs- und Beweislast bestimmt maßgeblich die Strategie und den Vortrag im Kündigungsschutzprozess. Insoweit ist die Kenntnis der Rechtsprechung und ihrer Anforderungen unverzichtbare Voraussetzung, um angemessen in der gebotenen Weise vorzutragen und um das angestrebte Ziel zeitnah und rechtssicher zu erreichen. Versäumnisse in diesem prozessualen Bereich können bei qualifizierter Fristsetzung durch das Arbeitsgericht dazu führen, dass man bereits in II. Instanz vor dem Landesarbeitsgericht mit weiterem Vortrag unter Umständen präkludiert ist.

9. Betriebsbedingte Änderungskündigung als Irrweg – Die betriebsbedingte Änderungskündigung ist mit Blick auf § 2 KSchG und die strengen Anforderungen der Rechtsprechung des BAG ein schwer zu handhabendes, risikobehaftetes Instrument.
Aus Sicht des vorsichtig agierenden, umsichtigen Praktikers ist die Änderungskündigung ein mit zahlreichen formellen und materiellen rechtlichen Risiken behaftetes Rechtsinstrument und die tragfähigen Änderungsmöglichkeiten sind – insb. bei Einpreisung der Prozessrisiken und -laufzeiten – beschränkt. Deshalb wird immer wieder die Frage thematisiert, ob es leichter sei, zu (beendigungs-)kündigen als änderungszukündigen (Kittner, NZA 1997, 968 „Lieber Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende“; Holthausen, ZAP 2021, 831).

Lösung:
Die Änderungskündigung will zielgerichtet im Einzelfall eingesetzt werden. Sie bedarf sorgfältiger und vorausschauender Planung, Dokumentation und Durchführung. Von der gleichzeitigen Änderung des Arbeitsvertrages in mehreren Punkten ist nachdrücklich abzuraten, da die Zumutbarkeit des Änderungsangebots (mildeste Änderung) bei dieser Vorgehensweise i.d.R. nur schwer, wenn nicht sogar gar nicht beurteilt werden kann. Die Risiken einer sozial nicht gerechtfertigten Änderungskündigung liegen ebenso auf der Hand, wenn der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer zur selben Zeit mehrere Änderungskündigungen ausspricht (BAG 10.9.2009 – 2 AZR 822/07, NZA 2010, 333).

10. Diskriminierende Kündigung – Schwieriges, ungeklärtes Verhältnis von KSchG und AGG
Das Verhältnis von KSchG und AGG ist kompliziert und konfliktbehaftet (vgl. Bauer/von Medem, NJW 2016, 210; zur Drei-Wochen-Frist für Kündigungsschutzklagen gegen diskriminierende Kündigungen Bertelsmann, NZA 2016, 855). Es angemessen auszutarieren, ist eine bislang ungelöste Aufgabe. Hier befinden sich seit gut sieben Jahren der Zweite Senat des BAG einerseits sowie der Sechste und Achte Senat andererseits auf einem Kollisionskurs. Es geht in der Sache darum, wie § 2 IV AGG auszulegen ist, wonach für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Denn das europäische Antidiskriminierungsrecht ist auf Kündigungen anzuwenden, während der deutsche Gesetzgeber Angst vor einer zweiten Schutzschicht mit Blick auf Kündigungen hatte. Die Unwirksamkeit der Kündigung zu rügen und zugleich immateriellen Schadensersatz nach § 15 II AGG zu liquidieren – das ist aus deutscher Sicht zu viel und soll nicht sein. So sieht es der Zweite Senat des BAG und hat sich mit Hilfe einer gewundenen Auslegungsmethode Ende 2008 auf die Seite des deutschen Gesetzgebers geschlagen (BAG 6.11.2008 – 2 AZR 523/07, NZA 2009, 361). Die Wertungen des AGG werden „richtlinienkonform“ in § 1 II KSchG integriert, um § 2 IV AGG vor dem europäischen Verdikt der Unanwendbarkeit bzw. Unionsrechtswidrigkeit zu bewahren. Ganz anders verfahren der Sechste und Achte Senat (BAG 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372; BAG 12.12.2013 – 8 AZR 838/12, NZA 2014, 722). Unionstreu wenden diese BAG-Senate das AGG bei Kündigungen nicht nur in der Wartezeit und auf Kleinbetriebe an (§ 1 I, § 23 I 2 und 3 KSchG), sondern auch beim besonderen Kündigungsschutz (etwa § 9 MuSchG a.F.). Damit wäre das AGG trotz seines § 2 IV auch dann einschlägig, wenn die Sozialwidrigkeit einer Kündigung am Maßstab von § 1 II KSchG zu prüfen sein sollte. Das überzeugt. § 2 IV AGG ist wegen Unionsrechtswidrigkeit unanwendbar. Das gebieten der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art. 20 i.V. mit Art. 51 GrCh und ein Erst-Recht-Schluss mit Blick auf arbeitgeberseitige Abmahnungen und Versetzungen, die – wenn diskriminierend – unwirksam sind und einen Anspruch nach § 15 II AGG auslösen können (BAG 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372; BAG 22.1.2009 – 8 AZR 906/07, NZA 2009, 945; vgl. Temming, RdA 2019, 102).

Lösung:
Der Arbeitgeber muss bei Ausspruch und im Vorfeld der Kündigung darauf achten, dass ein Arbeitnehmer keine Ansätze für eine Diskriminierung erhält. Wahrnehmung der Thematik und entsprechende Sensibilität auf Seiten des Arbeitgebers reichen in der Regel schon aus, um an dieser Stelle teure Fehlerquellen auszuschließen.

Beratungsangebot:
Wir freuen uns, wenn Ihnen die vorstehenden Ausführungen hilfreich waren und Ihnen in den aufgezeigten Punkten Risikobewusstsein und Lösungsansätze vor Ausspruch einer Kündigung vermittelt haben. Selbstverständlich beraten wir Sie in Ihrem Fall gerne weiterführend lösungsorientiert und begleiten Sie sowohl bei der Vorbereitung als auch dem Ausspruch der Kündigung und vertreten Sie bundesweit bei etwaigen nachfolgenden Kündigungsschutzprozessen bis zum BAG vor den Arbeitsgerichten.

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